Ultimate Akademie
Eine Formatfrage
von Bernd von den Brincken
Die Kunstszene in Köln ist klein, jedenfalls räumlich: das meiste und wichtigste spielt sich in der Innenstadt ab, in dem kleinen Halbkreis, der von dem Ring der Inneren Kanalstraße und dem Rhein begrenzt wird. Dort vor allem in der Mitte, nahe dem Rudolfplatz, im Belgischen Viertel, hat man gute Chancen, alte Bekannte und Aktive des Kunstbetriebs zufällig anzutreffen.
Die Mieten sind noch recht günstig in der Innenstadt, manchen Kunstaktiven zur Freude, manchen zum Ärgernis. Denn damit entfällt ein nicht unwichtiges Element zur Strukturierung eines sozialen Gefüges mit den Mitteln der Kunst. Es geht hier darum, den funktionalen Charakter der Kunst-Szene zu verstehen und ernst zu nehmen. Und nicht, ihn zu kritisieren, das wäre eine andere Baustelle.
Jetzt ist aber doch das Wort „sozial" gefallen. Es gibt hier leider genau wie in der „Kunst" sehr viele Definitionen, Deutungen und Assoziationen. Gewohnt ist man die Bedeutung, wie sie in „sozialer Verantwortung", „sozialer Marktwirtschaft" oder auch „Sozialamt" herüberkommt: Erfolg ist gut, aber man möge doch auch an jene Menschen oder Situationen denken, wo er nicht stattfindet.
Dagegen soll hier das „sozial" im Sinne der Soziologie verstanden werden: Daß man sich irgendwie dafür interessiert, wie Menschen sich gruppieren, organisieren und Bedeutung austauschen, eine relativ leidenschaftslose Sache. (Literatur dazu: Niklas Luhmanns „Soziale Systeme").
Noch einmal zum „sozialen Gefüge". Es ist ein Gebilde, das verschiedene Gruppierungen beinhaltet, die in Beziehung zueinander stehen; Überschneidungen sind möglich und das Ganze ist in Bewegung, ein „dynamisches System". Wodurch sind die Gruppierungen festgelegt? Das Problem ist, daß die Identität dieser Gruppierungen selten klar ist. Man kann es sich einfach machen, indem alle Mitglieder auf einer Liste aufgeschrieben werden, das nennt sich dann „Verein" und unterliegt bestimmten Gesetzen. Oder man trägt eine Uniform, damit jeder sieht, daß man zusammengehört, wie ein Karnevalsverein.
Alle anderen Gruppierungen müssen ihre Identität durch andere, weniger explizite Merkmale bestimmen. Dies kann einigen Aufwand bedeuten, auch im psychischen Sinne, um Umgangsformen, Stile oder Rituale abzustimmen, zu betreiben und gegen die Außenwelt abzugrenzen. Und dies geht meist nicht direkt, sondern kodiert, verschlüsselt, durch ein Übertragungsmedium. Und es soll hier nun behauptet werden: Die Kunst ist ein solches Medium.
Man kann das auch positiv formulieren: Das Koordinatensystem der sozialen Positionierung, sonst etwa durch Mode oder Auto ausgedrückt, wird durch die Kunst um eine weniger material-bezogene, mehr ideelle Ebene erweitert, oder sagen wir ruhig: bereichert. Dann ist aber sofort die Frage wichtig, ob der Künstler selbst „Format hat" - das Werken möge bedeutsam sein, aber nicht angestrengt, kreativ aber nicht beliebig. Und für die Künstler gilt wiederum: wenn man schon verkauft, dann bitte. Richtig oder gar nicht.
Das heißt nicht, daß Kunst NUR diese Funktion hätte, aber sie wird dafür eingesetzt, nolens volens. Man könnte fragen, was die Kunst denn außerhalb dieses „sozialen Zwecks" ausmacht, was ihr „innerer Antrieb" sei. Ich wüßte darauf einige gute Antworten zu geben, aber darum soll es hier nicht gehen.Was hat das alles mit der Ultimate Akademie zu tun? - Eine Zeitlang, Ende der 80er bis Anfang der 90er Jahre, war es ein echter Kristallisationspunkt für Kreativität; Künstler, Medienmacher, Journalisten trafen sich, es gab regelmäßig Projekte, kaum Planung aber immer wieder Befruchtung, keine Gruppenstruktur aber Zusammenarbeit. Man bezog sich auf die „Tradition" des Fluxus, teils in Form des prominenten Vertreters Al Hansen, aber vor allem durch die ständige Verwandlung der Formen: Nicht festzumachen, glitschig wie ein Fisch. Dabei kokettierte man mit Dilettantismus, Spontaneität, woraus immer wieder konzeptionell eigenständige (und nebenbei bemerkt: „multimediale") Projekte realisiert wurden.Nur: Weil „die Künstler" kaum festzumachen sind und weil die Kontinuität fehlt, paßt dieses Gebilde nicht in den klassischen Kunstbetrieb es kann die beschrieben Funktion in dem sozialen Gefüge nicht einehmen,nimmt dieses einfach nicht ernst, persifliert es teilweise . Dieser Auftritt löst dann im Kunstbetrieb Verärgerung aus, wird nicht als Teil des ganzen Spiels akzeptiert. Denn einige stille Vereinbarungen um das Gebilde „Kunst" werden verletzt: Großartigkeit, Persönlichkeit, „Charakter", „Format" und nicht zuletzt: daß man sich mehr für Prozesse interessiert als für Produkte. - Wer dafür in seinem Kopf keinen Platz hat, ist offenbar klein im Geiste. Aber in Köln ist man ja tolerant - ein Hoch auf die Vielfalt der Formate.