Das Medium Tisch
Performances mit Tisch hat es bereits in vielfältiger Weise gegeben. Die Kombination
Tisch und Performance ist nichts Neues. Der Tisch ist ein vertrauter Alltagsgegenstand. An
ihm werden viele Arbeiten getätigt und am Tisch wird sich von der Arbeit erholt. Die
Reproduktion des Menschen durch Essen und Trinken wird meist am Tisch vorgenommen. In
Cafés und Kneipen kann er zum Kommunikationsmittel werden. Am Tisch werden weitreichende
Entscheidungen getroffen. Und auf dem Tisch steht auch der Computer, als wäre er für ihn
gemacht. Wir leben in einer Tischkultur.
Performance mit oder ohne Tisch
Bei der Einbeziehung eines Tisches in eine Performance können sich verblüffende
Möglichkeiten ergeben, die alle auf die Funktionen des Tisches eingehen können. Wobei
der Tisch die Vielseitigkeit von Performances unterstützt. Fast alles kann auf, am, neben
oder unter und natürlich auch ohne dem Tisch stattfinden. Die Bisher gezeigten
Performances waren darin sehr unterschiedlich.
Die einfachste Definition der Performance als einen Auftritt vor Publikum ist für die
Reihe "Tischperformances in der Ultimate Akademie" ausreichend. Bewußt wird auf
den Begriff Performance-Art oder Kunstperformance verzichtet, um die endlosen
Ansichten, was Kunst dabei sei und was nicht, zu entgehen. Es können damit
unterschiedliche Vorstellungen von Performances in dieser Reihe verwirklicht werden.
Videovorführungen finden zwar auch vor Publikum statt, können aber nicht als Performance
gelten, weil eine Kopie und kein lebendiges Original, eine einmalige Vorstellung,
betrachtet wird. Performance vereinigt einen Raum mit nur einer einzigen darin ablaufenden
Zeit. Die gibt es nur einmal. Nur unter diesen Bedingungen verläuft die Übertragung von
Mensch zu Mensch vollwertig.
3 Meter Abstand: der goldene Schnitt der
Sinnlichkeit
Zu dieser maximalen Übertragung gehört auch der richtige Abstand zwischen Publikum und
Akteuren. Nur bei ca. 3 Metern Abstand vom Publikum befindet sich die
Performance-Künstlerin oder der Performance-Künstler im Brennpunkt der Wahrnehmung und
gleichzeitig auf Tuchfühlung zum Publikum. 3 Meter erscheinen mir als der goldene Schnitt
der Sinnlichkeit. Es ist der gleiche Abstand den Zuschauer gegenüber einem Fernsehgerät
einnehmen.
Aber die kostbare Aufmerksamkeit wird endlich einmal nicht einsam dem leblosen Geschehen
von Fernsehsendungen entgegengebracht, sondern lebendigen Menschen, die kollektiv
wahrgenommen werden. Performances bieten Gelegenheiten, wie das Wort sagt, etwas für wahr
zu nehmen. Während im Fernsehen reale Dimensionen nicht mehr für "wahr"
genommen werden können. ein krasser Unterschied.
Publikum und Akteur können in verschieden großer Anzahl vorhanden sein. Wenn das
Publikum unter eine Person sinkt, ist eine Performance nicht mehr möglich. Dann beginnt
das Reich der Selbstgespräche und Übungen.
Es bedarf bei dieser Art Performance keiner
langjährigen Übungspraxis wie beim Klavierspielen. Jeder kann Tischperformances
ausführen, vorausgesetzt, er weiß um die Möglichkeit und will eine selbst ausgedachte
Handlung auf eine einfache Weise zeigen.
Dokumentation auf Schritt und Tritt...
Seit über 3 Jahren, zuerst in der Mozartstraße und jetzt im Weyertal 84, bietet die
Ultimate Akademie, unregelmäßig Tischperformances an, um das Publikum wieder an
sinnliche, direkte Erlebnisse, die überwiegend ohne Technik auskommen, zu erfreuen und zu
gewöhnen. Eine Performance bietet eine einzigartige Gelegenheit, kollektiv die
Vergänglichkeit des Lebens bewußt zu spüren, und der Gegenwart gegenwärtig zu sein. Die Dokumentation sollte nicht wichtiger werden als das Original.
Performances könnten auch gezeichnet werden, um beim Original zu bleiben. Immer mehr
ergab sich die Notwendigkeit auch eine schriftliche Dokumentation einzuführen. So wird
seit den Performances von Jessica Higgins und Joshua Selman zusätzlich versucht eine
schriflliche Beschreibung bzw. Erklärung der Performances zu geben. Entweder kommen die
Urheber selbst zu Wort oder ich versuche selber eine Beschreibung und Interpretation zu
liefern.
Jede Tischperformance kann mit einer Diskussion
enden oder auch nur aus Diskussionen bestehen.
Die Ultimate Akademie bietet dadurch eine lebendige Kunstform als nachahmungswürdiges
Modell an. Während Bilder und andere künstlerische Güter auf bestimmte Räumlichkeiten
angewiesen sind, kommt die Performance auch mit ganz anderen Orten zurecht.
Hans-Jörg Tauchert